Effektiv Üben #2 – Wie lang sollte ein Lernabschnitt sein?

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© Sofi photo - Shutterstock.comHallo Ihr Lieben,

heute geht es weiter mit meinen Erfahrungen und Tipps zum Thema Üben. Vielleicht enthält dieser Artikel sogar die wichtigste Aussage zum diesem Thema. Denn ich glaube, das allergrößte Problem beim Üben ist die Selbstüberschätzung der Fähigkeiten unseres Gehirns. Und damit verbunden die Wahl der Länge der Übeabschnitte und des Übetempos. Zudem ist der Fokus unserer Gedanken oft nicht bei einer bestimmten, zu übenden, Sache sondern bei vielem gleichzeitig und das funktioniert einfach nicht.

Die Lernpsychologie hält klare Empfehlungen bereit, nach denen wir uns richten können. Das betrifft einerseite die Menge an Infomationseinheiten (Chunks), die wir erfassen & uns merken können und andererseit die Länge der Speicherzeit unserers Arbeits- bzw Kurzzeitgedächtnisses. Die Frage ist natürlich, inwiefern diese Untersuchungen des kognitiven Lernens auf das Klavierspielen anwendbar ist, spielt hier doch die motorische Komponente eine große Rolle.

Welche Informationen müssen wir beim Lernen eines neuen Stückes verarbeiten?

Neben dem Spielen der richtigen Töne (Tonhöhe) sollten wir auch die Tonlänge (Rhythmus) korrekt wiedergeben. Wobei diese natürlich nicht absolut sondern relativ ist, und vom gewählten Tempo abhängt. Ständig präsent sollte der Tonvorrat der Tonart des zu lernenden Stückes sein, der sich in den Vorzeichen (Bs und oder Kreuze) bemerkbar macht.

Motorische Komponente wie das Bewusstsein, welcher Finger für welchen Ton zuständig ist (Fingersatz) und beispielsweise das Umsetzen der Hand in einen anderen Tonraum (Lagenwechsel) kommen hinzu. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist auch das Thema Loslassen einer Taste. Entweder bei Pausen oder vor einer Tonwiederholung. Wird das Loslassen nicht bewusst geübt führt das oft dazu, dass es beim Vorspielen an einigen Stellen nicht pünktlich weitergeht.

Bei den meisten Stücken stehen beide Hände in zwei unterschiedlichen Notenschlüsseln und der Rhythmus beider Hände sollte nicht nur einzeln sondern auch im Zusammenklang verstanden werden. Merkt ihr etwas? Mit zwei Händen Klavier zu spielen ist eine überaus komplexe Angelegenheit. Ich glaube sogar, dass es bis zu einem bestimmten Grad an Erfahrung bzw “Können” für die meisten Klavierspieler kaum machbar ist, die Tonhöhe und die Tonlänge einer einzelnen Hand gleichzeitig korrekt zu erfassen und wiederzugeben.

Lernen wir ein Klavierstück haben wir das Ziel, dass es irgendwann fast wie von selbst läuft. Das motorische Gedächtnis übernimmt diese Aufgabe dann zu einem großen Teil. Meiner Erfahrung nach ist es genau dieses motorische Gedächtnis, welches beim Vorspielen bei weitem nicht mehr so sicher ist wie es zu Hause schien. Plötzlich fangen wir an zu zweifeln, wissen nicht mehr wie es weitergeht und die Finger beginnen zu suchen.

Wenn die Motorik in dieser Situation unsicher sind, könnten wir uns mit guten Notenlesefähigkeiten oder dem abgespeicherten Wissen über das Stück helfen. So kann man im Moment des Vorspielens den Mangel an motorischem Fertigkeiten bis zu einem gewissen Grad ausgleichen. Aber eben nur bis zu einem gewissen Grad, denn Denken kostet Zeit. Je langsamer das Stück gespielt wird, um so besser funktioniert das.

Das Ziel sollte dennoch sein, das Stück so gut geübt zu haben, dass nicht nur das motorische Gedächtnis sicher funktioniert sondern auch so viel kognitives Wissen über ein Stück vorhanden ist, dass man sich beim Spielen so sicher fühlt, dass man schon versucht ist, die Kontrolle loszulassen und das Spielen zu genießen.

Welche Erkenntnisse hat denn aber nun die Lernpsychologie zusammengetragen?

Unser Kurzzeitgedächtnis kann 7 +/- 2 Chunks, also Infomationseinheiten erfassen und bis zu 18 Sekunden behalten. Chunks können einzelne Töne, aber auch uns bekannte Bausteine wie Dreiklänge, Tonleiterausschnitte oder leicht nachvollziehbare Sprünge wie Terzen oder Oktaven sein. Damit unser Gehirn diese Bausteine aus mehreren Tönen als eine Lerneinheit (Chunk) wahrnehmen kann, baucht es schon viel Notenlese- und Spielerfahrung. Auch den Finger sollte dieser Baustein bekannt vorkommen.

In den ersten Jahren des Klavierlernens gebe ich folgende Empfehlung für die Wahl der Übeabschnitte: 7 +/- zwei Töne. Je mehr Sprünge im Melodieverlauf, um so kürzer sollte der Abschnitt gewählt werden. In den meisten Fällen entspricht das einer Übeabschnitt-Länge von ein oder zwei Takten. Ein dreitaktiger Übeabschnitt macht aus musikalischen Gründen wenig Sinn. Fast alle Melodien folgen zwei oder viertaktigen Phrasen. Und denkt bitte daran, dass ein Takt auf dem ersten Pulsschlag des nächsten endet. Der erste Pulsschlag des folgenden Taktes sollte also unbedingt mitgeübt werden, sonst fehlt die Verbindung zwischen den Takten und das ist ein Garant für Denkpausen. Ich bezeichne diesen letzten Ton des Übeabschnittes als “Übergang”.

Hier die Aufteilung für die rechte Hand am Beispiel von den ersten beiden Zeilen aus “Be Happy” (das Stück findet ihr in diesem Artikel). Die linke Hand kann man zeilenweise einzeln üben. Beim Zusammensetzen beider Hände nach zwei bis drei Tagen wieder zweitaktigen Übeabschnitte wählen.

Be Happy Übeabschnitte

Habt ihr jetzt eine Idee, warum es oft beim Vorspielen nicht klappt? Seid ihr euch der vielen Informationen wirklich bewusst? Und habt ihr der Hand durch eine ausreichende Anzahl von Wiederholungen überhaupt die Chance gegeben, ein motorisches Gedächtnis zu entwickeln? Dabei spielt es keine Rolle, wie leicht oder schwer euch der Abschnitt vorkommt. Auch leichte Abschnitte müssen ausreichend oft und zudem bewusst wiederholt werden, damit es irgendwann unbewusst geht.

  • Übeabschnitte mit einer Länge von 7 +/- 2 Tönen (entspricht ein oder zwei Takten) wählen.
  • Abschnitte lieber zu kurz als zu lang wählen – je kürzer der Abschnitt um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, ihn fehlerfrei zu wiederholen (wichtig für das motorische Gedächtnis).
  • Bewusstes, langsames Wiederholen der Abschnitte. Üben geht nur mit Denken.
  • Nicht zu viele Wiederholungen! Wenn der Abschnitt 3 mal hintereinander sicher klappt, zum nächsten Abschnitt weitergehen. Lernen braucht Zeit und das Gelernte muss sich setzen.
  • Für ein sicheres motorisches Gedächtnis die Hände unbedingt zuerst einzeln und dann (wieder in Abschnitten) zusammen üben.
  • Das motorische Gedächtnis stellt sich erst nach einigen Tagen sicher ein. Bis dahin möglichst nicht das Stück durchspielen und ausprobieren, ob es schon klappt.

So, ganz schön theoretisch heute. Beim nächsten Mal wird es praktischer. Dann möchte ich euch eine Methode an die Hand geben, eine Melodie zu lernen.

Eure Sandra

 

Teil 1 dieser Reihe: Effektiv Üben #1 – Warum üben so wichtig ist


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25 Gedanken zu „Effektiv Üben #2 – Wie lang sollte ein Lernabschnitt sein?

    1. Sandra Beitragsautor

      Liebe Peggy,

      ich würde mich sehr freuen, wenn Du dann Deine Erfahrungen mit uns teilst.
      Ausnahmslos alle meine Schüler, die dieses Stück zeilenweise geübt haben (trotz meiner Empfehlung 😉 ) haben sich im dritten oder im vierten Takt einer Zeile verspielt. Zu Hause klappt es oft, aber beim Vorspielen merkt man eigentlich immer, wie ein Stück geübt wurde. 🙂

      Viele Grüße,
      Sandra

      Antworten
      1. Christa

        Ich finde die Tipps super und werde sie übernehmen. Mir passiert genau das: zuhause sicher gespielt und beim Vorspielen sitzt es dann doch nicht, das ist unglaublich deprimierend; ich werde es hoffentlich verbessern können, danke

        Antworten
  1. Bianca

    Liebe Sandra,
    Danke für die Info. So hat es mir (39) mein Klavierlehrer noch nie erklärt. Eine Anschlussfrage hätte ich allerdings noch: du sagst, nach dreimaligem fehlerfreien Spielen zum nächsten Abschnitt gehen. Wie viele solcher Abschnitte sollte ich denn in einer Übungseinheit üben. Das heißt, wie lang sollte meine Übungszeit am Stück insgesamt sein, bevor mein Gehirn “überladen” ist?
    Viele Grüße Bianca

    Antworten
    1. Sandra Beitragsautor

      Liebe Bianca,

      vielen Dank für Deinen Kommentar und die interessante Frage. Am Ende einer 45 minütigen Klavierstunde merke ich immer, wie wenig Konzentration bei meinen Schülern noch übrig ist. Ich würde fast sagen, mehr als 20 bis 25 Minuten am Stück macht nur Sinn, wenn man richtig fit und augeruht ist.

      Ich würde folgendes vorschlagen: lerne einen Abschnitt (dazu kommen noch Tipps in Teil 3 meiner Serie), dann den zweiten Abschnitt. Wiederhole den ersten Abschnitt und mache im Anschluss eine kleine Pause mit ein wenig Bewegung und schnappe etwas frische Luft. Wiederhole nach der Pause den zweiten Abschnitt und wenn Du dann noch fit bist, lerne einen dritten. Dann wiederhole den ersten, den zweiten und den dritten (nicht alle Abschnitte in einem durch!). Ich glaube, wenn das Stück ganz oder relativ neu ist, reicht das erst einmal. Am nächsten Tag sollte relativ viel davon noch präsent sein.

      Wenn dann immer noch Lust zum Üben hast, kümmere Dich um ein anderes Stücke aus Deinem Programm.

      Vielleicht probierst Du das aus und gibst Rückmeldung, wie es funktioniert hat. Ich würde mich sehr freuen.

      Liebe Grüße,
      Sandra

      Antworten
      1. Bianca Muschel

        Liebe Sandra,
        hier nun meine Rückmeldung nach einigen Wochen. Nachdem ich noch relativ am Anfang des Klavierlernens stehe, habe ich machmal technisch für mich recht einfache, mal schwierigere Stücke auf. Bei den einfachen fasse ich meist mehr Töne in einer Übungseinheit zusammen (gerade bei Läufen und Wiederholungen). Aber bei den schwierigen helfen mir Deine Übungstipps sehr und ich habe das Gefühl, dass ich das Stück einerseits schneller und andererseits auch besser lerne. Vor allem durch das Mitlernen der Übergänge. Daher herzlichen Dank und bitte viele weitere Tipps.
        Etwas Überwindung hat es allerdings gekostet, die einzelnen Teile erst dann zum Ganzen zu verbinden, wenn man alle einzeln gut kann. Beim letzten Stück hat das fast 2 Wochen gedauert.
        Viele Grüße
        Bianca

        Antworten
        1. Sandra Beitragsautor

          Liebe Bianca,

          vielen Dank für Deine schöne Rückmeldung!
          Ich freue mich wirklich sehr, dass Du meine Idee umgesetzt hast.

          Die Chunks (Lerneinheiten) sind für jeden ein wenig unterschiedlich. Wenn man einen Baustein schon kennt und er sich motorisch abrufen lässt (weil man ihn bereits bei einem anderen Stück geübt hat) kann man so natürlich seinen Übeabschnitt verlängern. Wenn ich beispielsweise einen gebrochenen Dreiklang erkenne, ist das für mich ein Chunk, währenddessen jemand, der die Tonfolge nicht als gebrochenen Dreiklang erkennt, jeden einzelnen Ton als Einzelbaustein wertet.

          Auch bei relativ leichten Stücken lohnt sich das abschnittsweise üben, denn es reicht nicht, das Stück mit dem Kopf zu verstehen und zu “wissen wie es geht”. Das motorische Gedächtnis der Hände verlangt nach Wiederholungen, wenn es sich wirklich sicher anfühlen soll. 🙂

          Das Tolle ist, dass die Bausteine, die man sich in leichteren Stücken durch Wiederholungen erarbeitet und dann recht sicher beherrscht, einen wunderbaren Grundstein für schwierigere Stücke legen.

          Gern kommen mehr Übetipps! Dein Kommentar hat mich sehr motiviert!
          Viele Grüße,
          Sandra

          Antworten
  2. Stephan

    Chunking bedeutet wie Informationen zusammengefasst werden.

    1 9 3 6 4 5 sind 6 Einheiten. 19 36 45 sind drei Einheiten. wenn Du dich mit einem Thema beschäftigst, verändert sich das Chunking, in dem kleinere Einheiten zu einer größeren verbunden werden.

    Dass Töne, Anschläge Chunks sind, ist eine Möglichkeit. Betrachtet man es auf motorischer Ebene, ist schon ein Anschlag unter Umständen eine Überforderung des Kurzzeitgedächtnisses.

    Aber ich würde eine andere Methode vorschlagen. Den Schülern musikalisch sinnvolle Übeabschnitte eintragen. Motive, Phrasen etc. Töne abzählen erzeugt musikalisch sinnlose Abschnitte und lernen sich schwieriger.

    Antworten
    1. Sandra Beitragsautor

      Lieber Stephan,

      ich bin ein wenig spät dran mit meiner Antwort und bitte dafür um Entschuldigung.

      In meinem Artikel habe ich vielleicht nicht unmissverständlich genug darauf hingewiesen, dass ich die Länge der Übeabschnitte in Takten bemesse. Ob man sich nun einen, zwei oder vier Takte vornimmt kann man sich an der Anzahl der Töne “erzählen”. Das ergibt in der Regel auch musikalisch sinnvolle Abschnitte, denn Phrasen sind fast immer zwei oder vier Takte lang.

      Am Klavier (und ganz besonders wenn man beide Hände zusammen übt) sind größere, musikalisch sinnvollere Abschnitte einfach nicht zu schaffen. Da geht eben oftmals sogar nur ein Takt, wenn man das Stück wirklich sicher motorisch abspeichern möchte.

      Gruß und vielen Dank für Deine Gedanken,
      Sandra

      Antworten
  3. Julia

    Liebe Sandra,
    ich habe mit meinen grösseren Schülern (ab 5. Klasse) Deine Übemethode geübt. Ich lasse sie je einen Abschnitt ca 4 bis 5 Mal spielen. Dann nicht nochmal alles und auch kein Abschnitt kommt nochmal dran. Dadurch haben wir seit den Sommerferien viel kurzweiligere Klavierstunden und auch das Üben zuhause bringt meinen Schülern viel mehr Erfolgserlebnisse und ich merke, dass sie das entsprechende Stück insgesamt schneller lernen.
    Vielen Dank!

    Antworten
  4. Ute

    Liebe Sandra,

    Vielen, vielen Dank für Deinen Artikel. Die hier beschriebenen Folgen falschen Übens habe ich alle schon erlebt. Den Musikunterricht, den ich anfangs genommen habe, habe ich daher beendet. Und viele Angebote aus dem Internet haben mich auch nicht weiter gebracht. Aber ich denke jetzt habe ich wieder eine Chance doch noch Klavier zu lernen, als erwachsener Späteinsteiger.
    Viele Grüße
    Ute

    Antworten
  5. Johannes Ferrer Wolf

    Liebe Sandra,
    könntest du vielleicht auch noch erklären wie man vom langsamen Tempo bishin zum Endtempo am sinnvollsten üben sollte.
    Wie viele stufenweise Steigerungen des Tempos sind sinnvoll oder ob das kommt das Tempo “von selbst” und man sollte es gar nicht einüben zu steigern?
    Und sollte man erst das gesamte Stück in einem bestimmten Tempo üben und das Tempo dann steigern oder gleich für jeden Abschnitt das langsame Tempo erhöhen jeden Übeabschnitt für sich üben?
    Liebe Grüße Johannes

    Antworten
  6. Johannes Ferrer Wolf

    Liebe Sandra,
    könntest du vielleicht auch noch erklären, wie man vom langsamen Tempo bishin zum Endtempo am sinnvollsten üben sollte.
    Wie viele stufenweise Steigerungen des Tempos sind sinnvoll oder ob das kommt das Tempo “von selbst” und man sollte es gar nicht einüben zu steigern?
    Und sollte man erst das gesamte Stück in einem bestimmten Tempo üben und das Tempo dann steigern oder gleich für jeden Abschnitt das langsame Tempo erhöhen jeden Übeabschnitt für sich üben?
    Liebe Grüße Johannes

    Antworten
    1. Sandra Beitragsautor

      Lieber Johannes,

      ich danke Dir für Deine Frage und es tut mir leid, dass ich Dir diese nicht direkt beantworten kann. Ich würde Deine Frage gern mit Kollegen diskutieren, da mir in diesem Bereich tatsächlich die Erfahrung fehlt.

      Herzliche Grüße aus Mannheim,
      Sandra

      Antworten
  7. athene

    Liebe Sandra,
    ich versuche seit langer Zeit als erwachsene Anfängerin eine sinnvolle und effektive Übestrategie zu finden. Eine, die mir ermöglicht, das Gelernte tatsächlich so sicher abrufen zu können, dass ich es beim Spielen genießen kann.
    Ich habe mich durch die 3 Beiträge gelesen und fasse Mut…Ich würde mich noch mehr für die lernphysiologischen und -psychologischen interessieren. Gibt es da passendes Lesematerial? Z.B. um die Frage zu beantworten, wann /nach wievielten richtigen Übungen der Einheiten diese „stabil“ werden…

    Beste Grüße

    Antworten
    1. Sandra Beitragsautor

      Vielen Dank für die schöne Rückmeldung! 🙂

      Ich habe leider auf Anhieb keine Literaturempfehlung parat. Meine Artikel schreibe ich über meine Theorien und Beobachtungen im Unterricht.
      Meinen Schülern sage ich immer, dass sie erst beim Vorspielen merken, wie sicher ein Stück ist. Dann kommen Fingergedächtnis, wissen, was passiert & der Nervositätsaspekt zusammen.
      Meinen Schülern empfehle ich: Wenn ein Lernabschnitt dreimal nacheinander perfekt klappt (im passenden Tempo und mit richtigem Rhythmus), können sie zum nächsten Abschnitt gehen.
      Am nächsten und übernächsten Tag noch einmal so üben. Ganz langsam und sehr bewusst. Der Zeitfaktor ist auch ganz wichtig. Gelerntes muss sich setzen können und da braucht man ein wenig Geduld. Erst nach ein paar Tagen würde ich zum Beispiel einen Abschnitt mit beiden Händen zusammen üben.

      Liebe Grüße,
      Sandra

      Antworten
  8. Markus

    Auch, wenn diese Artikelserie in dem Blog schon etwas älter ist, ist sie sehr hilfreich. Irgendwie habe ich die Hinweise mit kleinen Übeabschnitten und langsam üben schon oft gehört. Es fiel mir aber immer schwer, mich daran zu halten.
    Du hast das in Deinen Blogartikeln sehr gut erklärt und auch die Hintergründe, warum das so gemacht werden soll gut dargestellt.
    Für mich bleiben noch ein paar Fragen offen.
    1. ) Ist es sinnvoll, zwei Stücke (oder auch mehr) auf einmal zu üben? Also meinetwegen 15 Minuten das erste und 15 Minuten das zweite. Oder sollte man lieber die vollen 30 Minuten in ein Stück investieren, so lange, bis man es wirklich gut kann und dann erst mit dem nächsten anfangen?

    2.) Wenn ich ein neues Stück übe, ist das am Anfang für das Gehirn wohl die meiste Arbeit. Deshalb denke ich sollte man ein neues Stück auf jeden Fall an den Anfang seiner Übezeit legen. Wenn ich das dann in kleinen Abschnitten einmal geübt habe und ich habe noch etwas Zeit, sollte man dann auch noch andere Stücke, die man evtl. eigentlich schon kann nochmal üben um diese zu vertiefen oder ist das dann für das gerade gelernte kontraproduktiv.

    3.) Was ich immer noch nicht richtig verstehe ist das Spieltempo. Üben soll man ja langsam, dass das Gehirn alles gut abspeichern kann. Wann soll ich das Tempo denn auf die “Normalgeschwindigkeit” bringen?
    Also meinetwegen etwa 3 Tage lang beide Hände einzeln in kleinen Abschnitten, bis diese flüssig klappen. Dann vielleicht einen Tag die Abschnitte verlängern. Soll man dann schon mal probieren, ob man die Hände einzeln im normalen Tempo spielen kann? Oder dann erst beide Hände zusammen in kurzen Abschnitten langsam üben und erst ganz am Schluß das Tempo bis zur Normalgeschwindigkeit steigern?

    Ich hoffe, dass Du auch unter einem alten Blogeintrag noch Fragen beantwortest. Vielen Dank.

    Antworten
    1. Sandra Beitragsautor

      Lieber Markus,

      vielen Dank für Deinen Kommentar und die interessanten Fragen, die ich natürlich nur aus meiner persönlichen Erfahrung beantworten kann. Hilfreich wäre zu wissen, wie lange Du schon spielst, denn mit zunehmendem motorischem Repertoire lernen sich weitere Stücke natürlich anders. Und – ganz wichtig im Übeprozess ist das regelmäßige Vorspielen (zum Beispiel im Unterricht). Nur dann weiß man, wie gut das Geübte schon sitzt.

      Zu Frage 1: Ja, ich finde es sinnvoll, zwei oder mehr Stücke zu üben. Die Stücke sollten sich nicht zu ähnlich sein und sich in verschiedenen Lernphasen befinden. Was beim Lernen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, ist der Zeitfaktor. Meiner Meinung nach ist es oft sinnvoller, nur einen Teil eines Stückes zu üben (und danach ein anderes) anstatt das komplette Stück. Ein Großteil vom Rest des Stückes hat sich nämlich schon mitgelernt, wenn sich das Geübte setzen kann.

      Zu Frage 2: Mach ein paar Minuten Pause nach dem Üben eines neuen Stückes. Im Anschluss ein Repertoire-Stück zu üben ist eine sehr gute Idee. Das bringt Freude und motiviert. Auch hier empfehle ich, dass die Stücke nicht zu ähnlich sind. Sonst können die Hände schon durcheinander kommen. Also lieber ein Stück von Mozart und eines von Bach lernen, anstatt zwei Stücke von Mozart.

      Zu Frage 3: Das Tempo kommt mit der Zeit und meist von allein, wenn es eben an der Zeit ist. Je nach Schwierigkeitsgrad des Stückes kann es Wochen dauern, bis ein Stück sicher im Endtempo gespielt werden kann. Wir können nur bis zu einem gewissen Grad beeinflussen, wie lange unser Gehirn zum Lernen braucht. Üben ist eine Sache – Zeit die andere. Zu früh das Tempo steigern bringt das Gelernte sicher wieder durcheinander. Denn im Tempo wechseln wir in den Abrufmodus. Ist das Fingergedächtnis zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher, ist das Abrufen kontraproduktiv da kaum kontrollierbar und sehr wahrscheinlich nicht fehlerfrei.

      Die Hände müssen unbedingt abschnittsweise zusammengeübt werden. Sehr wahrscheinlich ist man dazu in der Lage, bevor eine Hand komplett und im Tempo gespielt werden kann. Denn das geht eben erst nach einiger Zeit.

      Gruß aus Mannheim,
      Sandra

      Antworten
      1. Markus

        Hallo Sandra,

        vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Das hilft mir sehr weiter.

        Wie lange ich schon spiele ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich bin nicht mehr so ganz der jüngste. Ich habe vor etwa 40 Jahren als Kind mal Heimorgel gespielt und da auch mehrere Jahre Unterricht gehabt. Irgendwie bin ich jetzt kurz vor Weihnachten auf die Idee gekommen, mein altes Keyboard aus dem Keller zu holen und etwas darauf zu spielen. Als ich gesehen habe, dass mir das Spielen damit extrem viel Spaß gemacht hat, habe ich mir jetzt ein Digitalpiano gekauft und mich dazu entschlossen Klavierspielen zu lernen.

        Nach etwa 30 Jahren nicht mehr spielen habe ich natürlich etliches verlernt. Da ich früher ausschließlich Orgel gespielt habe, muss ich mich auch erst an die schwergängigere und anschlagdynamische Klaviertastatur gewöhnen.
        Ich habe mir dann den zweiten Band einer Klavierschule gekauft und dazu auch ein paar Notenbücher mit bekannten Liedern, die etwa auf dem Level sind, was ich mir zutraue zu lernen. Damit übe ich jetzt.

        Einfache Lieder mit einer Akkordbegleitung kann ich fast noch direkt vom Blatt spielen. Probleme bekomme ich, sobald es für die Linke Hand etwas komplexer wird, z.B. bei einer Arpeggio-Begleitung die ja bei den meisten Klavierstücken genutzt wird. Bei der Orgel hat man mit der linken Hand halt hauptsächlich Akkorde gegriffen.

        Mir ist dann auch relativ schnell aufgefallen, dass ich mich extrem oft verspiele. Da habe ich dann im Internet nach der Ursache gesucht und dabei bin ich dann auf viele YouTube Videos und auch Artikel zu Übetechniken gestoßen. So bin ich dann hier gelandet. Deine Artikelserie zum effektiven Üben hat mir extrem gut gefallen, weil Du recht kurz und einfach auch die Hintergründe erklärt hast, warum man wie üben soll.

        Jetzt übe ich seit ein paar Tagen halt langsamer und in viel kleineren Abschnitten. Dabei sind mir dann obige Fragen in den Sinn gekommen.
        Vielen Dank nochmal für die ausführliche Beantwortung. Das hilft mir sehr weiter, mein Üben möglichst effektiv zu gestalten. Es ist für mich manchmal nicht einfach, so langsam zu üben, weil ich wohl teilweise denke, dass ich das von früher ja alles noch können müsste.
        Ich bin zwar jetzt nicht wieder bei Null eingestiegen, aber doch weit unterhalb von dem Niveau, wo ich früher beim Orgelspielen stand. Ich musste da wohl auch erst selber austesten, was ich noch kann und was nicht.

        Auf jeden Fall bin ich gespannt auf die nächsten Fortschritte.

        Antworten
        1. Sandra Beitragsautor

          Lieber Markus,

          schön, dass meine Antwort geholfen hat.
          Ich empfehle Dir dringend, nach richtigen Klavierstücken zu schauen und nicht nur Bearbeitungen zu spielen. Die sind eben nicht für Klavier komponiert und liegen oft recht ungünstig. Kennst Du meine Musik? https://shop.zauberklavier.de Die Stücke klingen wirklich schön, schwerer als sie sind und liegen gut in der Hand. Damit macht Klavierspielen mehr Freude als nur mit Bearbeitungen.

          Ein schönes Wochenende und viel Freude beim Üben!
          Sandra

          Antworten
          1. Markus

            Ich habe/übe schon einiges, was direkt für Klavier komponiert ist.
            In Deinem Shop habe ich auch schon gestöbert und finde einige Stücke wirklich sehr schön. Ich denke, da werde ich mir in den nächsten Tagen noch was schönes aussuchen.

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